Wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund

13
Jul 23

Kommunizieren #5: Ist mit mir gut Kirschen essen?

von Claudia Linker (Monnet)

Momentan schon. Mein Kirschbaum trägt wie verrückt. Allabendlich steige auf die Leiter und pflücke für meinen Mann und mich, was wir verzehren können. Dazu Him- und Stachelbeeren, sowie rote und schwarze Johannisbeeren. Aber auf die Leiter zu klettern und Äste heranzuziehen, ist der größere Spaß.

Mein Mann kann nicht mehr in Bäume klettern. Er ist froh, wenn sein Kreislauf ihm ein paar Schritte mit Berta erlaubt. Aber er genießt die Früchte. Wir genießen. Auch das ist unser Leben. Nicht nur Chemo und kein Ende in Sicht.

Ich bin hier zwar nur die Angehörige, aber Krankheit erfordert Pflege. Deshalb denke ich schon wieder einmal neu und ziemlich grundsätzlich über Change nach und das Leben an sich.

Eine der häufigsten Fragen, als ich in den 90ern in Deutschland Mutter wurde: Musst Du denn noch arbeiten? Mit mitleidigem Blick. Für eine halbe Französin eine sehr merkwürdige Frage. Vraiment très bizarre!

ABER: In Frankreich gab es damals schon ganz selbstverständlich überall und für alle ganztags Betreuung. Gratis. Davon träumt (West-)Deutschland heute noch. Da ich in Flensburg lebte und meine Kinder bekam, bin ich also Change gewöhnt. Vielleicht darf ich mir sogar einbilden, Change ein bisschen mitgestaltet zu haben / mitzugestalten.

Wieder bin ich in derselben Lage: Ich muss vielleicht nicht arbeiten. Wenn wir z. B. unser Zuhause verkaufen würden, aber dann gäb’s auch keine Kirschen mehr. Aber ich arbeite sehr, sehr gern. Und ich genieße das Leben, mit meinem Mann, in dem Leben, das uns jetzt bereitet ist.

Selbstbestimmung ist der Schlüssel. Dann ist gut Kirschen essen. Ich wende Thomas Gordons die dreiteilige (!) Ich-Botschaft, GFK und ein wenig Harvard-Modell auf mich selbst an: Wie stehe ich für meine Bedürfnisse ein?

Botschaft #1: Mein(e) Bedürfnis(se) sind …

  • Da sein. Ich schenke meinem Mann und mir täglich Kirschen, denn jetzt sind sie reif.
  • In Verbindung bleiben. Ich biete Freund:innen an, sich Kirschen bei mir zu pflücken.
  • Meinen Beruf weiter ausüben. Abends nehme ich mir auf jeden Fall die Zeit, auf die Leiter zu klettern.

 
Botschaft #2: Positive Konsequenzen, wenn Bedürfnisse erfüllt werden, sind …

  • gute Gespräche mit meinem Mann über Berufliches und Freude an den Kirschen.
  • Über geschenkte Kirschen ergeben sich noch mehr gute Gespräche und noch mehr geteilte Freude.
  • Auf der Leiter abends realisiere ich, wie schön das Leben ist – neben der Sorge – und wie glücklich mich mein Beruf macht.


Botschaft #3: Gute Gefühle, die damit verbunden sind …

  • Wie beschreibe ich das Gefühl, das es auslöst, da oben in Balance zu bleiben, diese Farbenpracht aufzusaugen und spät abends im Bett noch zu merken, wie es nachleuchtet?
  • Wie beschreibe ich das Gefühl, einem Coaching-Klienten gerade vor dem Kirschenpflücken geholfen zu haben, ebendiese drei Botschaften für sich zu formulieren? Ja, einem Mann. Sehr erfolgreich. Hohe Führungsverantwortung. Und doch sagt er oft nicht Nein. Achtete seine eigenen Grenzen bislang nicht. Übt das jetzt.

Was ist Dein / Ihr Bedürfnis?

P.S.: Kirschbäume sind erst seit dem 16. Jahrhundert in Mitteleuropa verbreitet. Im Mittelalter waren Kirschen kostbare, seltene Früchte. Menschen, die sich ungebeten daran bedienen wollten, wurden verjagt, indem man sie mit Kirschkernen bespuckte. Ich persönlich ziehe ja Kirschkern-Weitspucken vor. Herzliche Einladung. Sagte ich es schon? Die Kirschen sind gerade reif.

05
Jan 23

Kommunizieren #4: Gendersprache

von Claudia Linker (Monnet)

Seit dem 31.12.2022 verfolge ich eine Debatte zur Gendersprache im sh:z. Auslöser war ein Artikel vom Chefredakteur Gerrit Bastian Mathiesen in der Ausgabe vom 31.12.2022 auf Seite 2. Er erläuterte dort, warum die Redaktion es ablehnt, zu gendern. Die Hauptargumente lauten:

Man wolle sich an die geltenden Regeln halten.
Die Mehrheit der Bevölkerung lehne das Gendern ab.

Nachdem am 2. und 3. Januar in Leserbriefen in Teilen ein sehr rauer, konfrontativer Ton angeschlagen wurde und die Redaktion Beifall für den vermeintlichen Mut erhielt, nicht zu gendern, hoffe ich, mit einer eigenen Zuschrift einen kleinen konstruktiven Beitrag leisten zu können:

Seit Jahrzehnten berate ich (auch) Frauen. In meinen Publikationen der 2000er-Jahre argumentierte ich noch Ihnen ähnlich für das generische Maskulinum oder nutzte Substantivierungen. Inzwischen gendere ich. Großen Einfluss hatte die Lektüre von Iris Bohnet und ihrem Werk „What works: Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann“. Verhaltensökonomische Studien belegen: Frauen sind beim generischen Maskulinum faktisch nicht „mitgemeint“. Unabhängig davon, welchem Geschlecht sich die sprechende oder hörende Person zugehörig fühlt, sehen fast alle beim Wort Arzt einen Mann vor dem geistigen Auge.
Landauf, landab haben sich Redaktionen inzwischen Gedanken zur Genderfrage gemacht und ihre jeweiligen Entscheidungen kommuniziert. Eine andere Argumentationslinie als die Ihre verfolgt dabei DIE ZEIT, bekannt für hervorragenden Journalismus und hohe sprachliche Qualität: „Eine kreative Form der gendergerechten Sprache in der ZEIT ist erwünscht und erlaubt, aber nicht verpflichtend. … Gleichzeitig versucht sie, Fragen von Lesbarkeit, Schönheit, Tradition und Effizienz zu berücksichtigen“.
Die Argumentationslinie Ihres Verlages zur Gendersprache ist nun, den Sprachgebrauch zu ändern, wenn er sich offiziell geändert haben wird. Ich gendere und bemühe mich gleichzeitig um verständliche Sprache. Wir alle miteinander lieben die deutsche Sprache. Ich werde also nicht „pushen“, dass Sie sich ändern. Aber ich schmunzele über den Anglizismus, denn meine Großmutter hätte sich gehörig darüber aufgeregt, dass Sie gleich im ersten Satz solch ein unverständliches Wort verwenden!
Sprache, so schreiben Sie, sei nie in Stein gemeißelt. Das bedeutet doch: Kleine Gruppen – Sie schreiben: Minderheiten –  beginnen, den Sprachgebrauch zu ändern. Einiges wird irgendwann normal, also zur Mehrheitssprache. So z. B. das Wort „pushen“.
Vielleicht können wir uns diese unterschiedlichen Anpassungsstile zugestehen, bei der die einen etwas erst dann übernehmen, wenn es allgemein anerkannte Regel geworden ist und die anderen sprachliche Formen ausprobieren, die sich so vielleicht nie durchsetzen werden? So verstehe ich die Chefredakteurin des Duden-Verlages Karin Razum-Kunkel, wenn sie zu dieser ja lange schon laufenden Debatte empfiehlt: „Wir sollten Schärfe herausnehmen, weil sie einfach keinem etwas nutzt“. Ich bin sehr dafür.

Die Lektüre von Iris Bohnet kann ich wirklich nur wärmstens empfehlen! Geht es darin doch wirklich um Ökonomie und damit unter anderem auch um Lösungen, damit wir Zugang zu 100% aller Talente am Arbeitsmarkt schaffen.

28
Jan 22

KOMMUNIZIEREN #3: Postkarten-Resilienz

von Claudia Linker (Monnet)

Im offenen Gespräch vermischt sich der „Nützt-ja-nichts“-Optimismus spätestens seit Omikron mit resignativen Anklängen. Deshalb sind Resilienz-Übungen in meinen Beratungen und Team-Moderationen der letzten Monate noch wichtiger als sonst.

Ich hatte schon begonnen, an diesem Artikel zu schreiben, als beim Online-Stammtisch der Spitzenfrauen im Norden just nach Tipps zum Thema gefragt wurde. Ich hielt das Buch in die Kamera, aus dem ich hier zitieren werde: „Resilienz – Wie man Krisen übersteht und daran wächst“.

Matthew Johnstone sagt: „Lernen Sie die Kunst der Kommunikation“ und illustriert den Tipp mit zwei Menschen, die einander so richtig echt gegenüber stehen.

Jetzt ist aber Omikron. Es ist ausgezeichnet, dass wir uns per Video begegnen können. Ganz gewiss werden uns digitale Konferenzen auch jenseits der Pandemie erhalten bleiben, weil es sich als ressourcenschonend und effizient erwiesen hat. Außerdem sind wir inzwischen Profis darin, die Beleuchtung ebenso richtig einzustellen wie den Bildausschnitt.

Aber es ist auch eine reduzierte Kommunikation. „Zoom Fatigue“ erleben wir, weil es viel anstrengender ist, Menschen und Gruppen einzuschätzen und zu verstehen, mit denen wir nur virtuell verbunden sind. Räumliche Nähe hilft, menschliche Nähe herzustellen.

Nicht von ungefähr publizierte der renommierte Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth Ende 2021 daher einen Artikel über die potentiell krank machenden Folgen von Isolation. Zu wenige Begegnungen sind eine Gefahr für die mentale Gesundheit. Das können wir alle inzwischen aus eigener Erfahrung bestätigen: Warum sonst fehlt uns Kino? Schließlich gibt es die Filme meistens auch im Stream.

Resilienz bedeute, zu akzeptieren, was wir ändern können und was nicht, so Johnstone. Nicht ändern kann ich Omikron. Aber von Hand zu schreiben, ist ein anderer, sehr wirksamer Weg, um menschliche Nähe herzustellen. Wirth spricht an anderer Stelle vom inneren Dialog zwischen Schreibenden und Lesenden: „Auch wenn man alleine ist, ist immer jemand da, wenn auch nicht aus Fleisch und Blut“.

Ich schreibe also wieder mehr. Und zwar Postkarten. Seit Jahrzehnten nutze ich sie in Trainings, Workshops, Coachings. Zum Beispiel als Eisbrecher-Übung: „Welche Karte passt gerade am besten zu Ihren Erwartungen? Oder als Transfer-Übung: „Welche Karte motiviert Sie, das Gelernte umzusetzen? Wo platzieren Sie sie? Welche Gedanken notieren Sie darauf?“ Und auch ganz klassisch, um persönlich zu danken, zu gratulieren, zu grüßen.

So lange wie ich Postkarten im beruflichen Kontext nutze, dient mir auch das Stöbern nach neuen, um Wartezeiten auf Anschlusszüge zu überbrücken. Bringt ein Motiv mich zum Schmunzeln oder passt es zu einem Thema, kaufe ich oft gleich mehrere davon, genug für mindestens ein Seminar. Es haben sich inzwischen sehr, sehr viele Restposten angesammelt. Mit denen überrasche ich gerade gern Menschen aus meinem Netzwerk, die ich vermisse.

Probieren Sie es doch einmal aus: Eine Postkarte oder ein handgeschriebener Brief inmitten der üblichen Post ist eine Überraschung, macht neugierig und löst beim Lesen wahrscheinlich so viel Freude aus, wie Sie idealerweise beim Schreiben empfunden haben. Womit wir gleich drei Resilienz-Tipps umsetzen:

Tipp 1:
Schreiben Sie genussvoll mit einem Füllfederhalter oder einem anderen schönen Schreibinstrument. Genießen Sie das Schreiben an sich und üben Sie sich damit darin, die kleinen Dinge zu schätzen.

Tipp 2:
Freuen Sie sich an den guten Erinnerungen, die Sie beim Schreiben bewegen. Machen Sie sich Ihre Freude mit einem bewussten tiefen Ausatmen bewusst. Es hilft, dabei mit einem Lächeln „Ach ja“ zu seufzen oder ein ganz lang gezogenes „Schön“ zu hauchen.

Tipp 3:
Haben Sie den Mut zu warmen, persönlichen Worten und üben Sie sich damit darin, Ihr Herz sprechen zu lassen.

Sie empfinden die Idee als schön, wüssten aber nicht, WAS Sie konkret schreiben könnten? Nun ja, wie sagte Johnstone: Lernen Sie die Kunst der Kommunikation.

Gerade erhielt ich selbst eine Postkarte von einer Coaching-Klientin. Meine Freude war groß!

17
Dez 21

KOMMUNIZIEREN #2: Frauen in Karriere!

von Claudia Linker (Monnet)

Kürzlich hielt ich für die Nord-Ostsee Sparkasse einen Vortrag in Schleswig.
Thema: „Frauen in Karriere“.

Meine Agenda in sechs Punkten: 

Ja, es gibt Hindernisse auf dem Karriereweg, die nur für Frauen gelten.
Wissenschaft hilft, die Fakten hinzunehmen.
Wissenschaft liefert außerdem valide Ansätze für wirksame Veränderung.
Und Wissenschaft räumt damit auf, dass Frauen die Verantwortung dafür ausschließlich bei sich selbst zu suchen hätten.
Erstes Fazit: Es ist das Zeitalter der Frauen. (Und das hat im Wesentlichen rein volkswirtschaftliche Gründe.) Machen wir was draus!
Zweites Fazit: Dabei helfen kluge kommunikative Strategien. Gemeint ist die Kommunikation mit anderen und die Kommunikation mit sich selbst.

Eine wichtige Quelle und warme Empfehlung: „Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado-Perez.

Mein Vortrag wurde wunderbar unterstrichen von den Erfahrungsberichten der weiteren Speakerinnen, z.B. dem von Katrin Stieglitz, Bereichsdirektorin Unternehmensentwicklung bei der Nord-Ostsee Sparkasse.

Ich freue mich über Ihre Nachricht, wenn Sie ebenfalls Frauen ermutigen wollen, mit Wissenschaft und kommunikativen Tools. Dann verrate ich Ihnen auch, warum ich gern über Clara Schumann und Fanny Hensel rede. Kleiner Spoiler: Kennen Sie Fanny Hensel? Nein? Eben!

10
Feb 20

KOMMUNIZIEREN #1: S C H L A G -FERTIG?

von Claudia Linker (Monnet)

KONTERN ZU KÖNNEN IST EIN WEIT VERBREITETER WUNSCH.

Bislang hatte ich  Vortragsanfragen zum Thema Schlagfertigkeit dennoch abgelehnt. Machen Sie in Ihrer Suchmaschine mal eine Bildrecherche zu dem Wort  "schlagfertig". Na? Genau: überall Boxhandschuhe, Fäuste, Gewitter-Pfeile. Kein Wunder, wenn man das Wort zerlegt: fertig zum Schlag sein, da fühlt man sich ja direkt trippeln im Boxring. Der Boxring aber passt nicht zu dem einen meiner beiden Kernanliegen: der gelingenden Kommunikation.

Das erfuhren auch die Schleswiger UnternehmerFrauen im Handwerk, bei denen ich am 5. Februar 2020 dann doch zu dem Thema sprach: Man / frau dürfe auch mal nichts erwidern, sagte ich. Eine souveräne Pause sei die machtvollste Kommunikationsstrategie.

Hinter dem Wunsch nach Schlagfertigkeit stehen Anliegen: Ich will respektvoll behandelt werden. Ich  suche in Gesprächen Offenheit, echte Aufmerksamkeit, wechselseitiges Verständnis, Aufmerksamkeit füreinander.

SCHLAG-fertigkeit klingt nach Siegen oder Verlieren, nach Hochschaukeln und erhitzten Gemütern. Wie entwickeln wir einen klangvolleren Begriff? Ich nutze dafür gern mein Faible für Sprachen (vgl. auch meinen Blog-Eintrag vom 1. Dezember 2015) und frage mich: Wie lautet das Wort in anderen Sprachen? Welche Assoziationen sind damit verbunden?

englisch: to be quick-witted – mit einem schnellen Witz dabei.
französisch: répondre du tac au tac –  ... tja

Du tac au tac ist eine Lautmalerei aus dem Fechtsport. Etwas ausfechten sagen wir im Deutschen auch mal. Aber beim "Tack – Tack"-Geräusch sehe ich geradezu die Eleganz auf der Planche vor mir: wie die Fechtenden in einem irrwitzigen Tempo vor und zurück tänzeln, mit eleganten Bewegungen das Florett führen – und dabei das metallische "Tack – Tack".

Da ist schon auch viel Gewitztheit dabei. Und niemand geht k.o. Allenfalls "touché". Mit "Berühren" (toucher) gewinnt man im Fechtsport. Ach ja, das gefällt mir doch gleich viel besser!

Charmant entwaffnen, klingt das nicht besser als "voll auf die Fresse"? Verbal abrüsten scheint mir vielerorts ein Gebot der Stunde. Lieber elegant redegewandt

Herzlich Willkommen zum Training, wer das üben möchte:

 

 

15
Sep 17

SCHWUNG #5: STEVE JOBS

von Claudia Linker (Monnet)

GESCHÄFTE ENTWICKELE ICH LIEBER NICHT KNALLHART.

Ich muss Ihnen ein Geständnis machen: Die Art, wie ich strategische Beratungen durchführe, weicht erheblich von klassischen Schemata ab. Wir nutzen intern die EKS-Methode, aber ich formuliere persönlich weicher. Das erklärte EKS-Ziel ist nämlich immer, strategisch einen Bereich für sich zu definieren, auf dem ich Marktführerschaft anstreben kann und werde. Nun heiße ich nicht Steve Jobs und fühle mich nicht berufen „eine Delle ins Universum zu hauen“. Ich mag lieber leisere Töne und behutsame Entwicklungen. Umsicht ist ein Lieblingswort von mir.

Steve Jobs erwähne ich hier aber auch nicht von ungefähr. Er muss zwar ein ziemlich cholerischer Mensch gewesen sein. Nach allem, was ich weiß, ist mir der menschlich umgänglichere und umsichtigere Bill Gates deutlich sympathischer. Aber Steve Jobs konnte auch inspirierend reden und seine Stanford-Rede ist sehr empfehlenswert! Poetisch und emotional beschreibt er, wie er und ich über strategische Planung denken. Es war ihm ganz bestimmt gar nicht bewusst, aber dankbar bin ich ihm dafür, dass er in der Rede über das spricht, woran wir beide im Innersten glauben. 

Er nennt es: „the dots will connect“, frei übersetzt: Die Mosaik-Steinchen meines Lebens werden sich verbinden und die Verbindungen werden tragen, wenn ich nur mit solchen Mosaik-Steinchen spiele, die mir wirklich etwas bedeuten. Das ist die Dimension, die ich EKS unbedingt hinzu füge.

In meinem Leben lagen viele Mosaik-Steinchen lange Zeit unverbunden herum. Ich hatte sie fast vergessen. Strategische Arbeit lenkt den Blick aber genau dahin, auf das fast Vergessene: Sichtbar wird, was einen (noch) nährt, aber ungenutzt schlummert und brach herum liegt. Sichtbar werden Schätze, die gehoben werden wollen.

Bei mir sind es drei große Themen-Bereiche:
Sprachen.
Kunst und Kultur.
Glauben und Lernen.

Mit den ersten beiden Bereichen habe ich mich lange intensiv befasst und wollte es mal beruflich nutzen. Ich studierte in Frankreich „was mit Kunst“ und spreche einen Haufen Sprachen mehr oder weniger gut. Dann heiratete ich einen Flensburger Professor und stieg mit großem Vergnügen in das bestehende Beratungsunternehmen ein.

Später fand ich zu meinem christlichen Glauben zurück, und ein Grund dafür war meine berufilche Beschäftigung mit der Neurobiologie des menschlichen Lernens.

Die Mosaik-Steinchen „Sprachen“ sowie „Kunst und Kultur“ lagen sehr lange recht unverbunden herum. Den Bezug zum Glauben beruflich zu integrieren, fand ich sehr schwer bis unmöglich. Ich will niemanden bekehren. Ich glaube sogar (neurobiologisch gut begründet), dass das gar nicht möglich ist. Daher empfand ich dieses Steinchen nicht einmal als dem Mosaik zugehörig. Hat sich das durch die strategische Neuorientierung der Firma geändert? Die Antwort ist: bislang nicht, mit Betonung auf bislang. Denn diese Themen sind eindeutig nach vorne gerutscht. 

Seit Jahren mache ich mich jeden Tag wenigstens ein bisschen schlauer in sechs Sprachen: dänisch, englisch, französisch, italienisch, russisch, spanisch. Unsere Website habe ich von Beginn an in vier Sprachen online gestellt. Mein Russisch ist immer noch zu schlecht. Aber die spanische steht schon lange auf der To-Do-Liste. Vielleicht wird das in absehbarer Zeit klappen?

Im Sommer 2017 spielte ich endlich einmal wieder ernsthaft mit den Mosaik-Steinchen im Bereich „Kunst und Kultur“. Eine ganze Woche lang war ich auf der documenta 14 in Kassel. 

Im Bild oben sehen Sie eine Art Mosaik. Auf YouTube können Sie entdecken: Es ist in Bewegung. Das Werk “The End“ des griechischen Künstlers Nikos Alexiou ist inspiriert von einem Boden-Mosaik des Klosters Ivirion auf dem Berg Athos. Was das YouTube-Video nicht zeigt: Den Besuchern macht dieses Kunstwerk Spaß! Sie stellen sich ins Licht, viele legen sich sogar auf den Boden. Sehr viele nehmen eine minutenlange Lichtdusche. 

Kunst darf und muss Spaß machen. Mir hilft dieser Spaß, ein paar Steinchen im ganz eigenen Lebens-Mosaik anders zu verbinden.

16
Aug 17

SCHWUNG #4: DEN KOMPASS AUSRICHTEN

von Claudia Linker (Monnet)

Ein Jahr ist vergangen seit unserem Fasten-Wandern auf Sylt.
Was war noch mal das Ziel, beides zu verbinden: Übungen für den Leib und EKS-Übungen für unsere strategische Unternehmensplanung?
Wir wollten näher bestimmen, wie wir gemeinsam ein genussvolles Leben führen können, beruflich und als Ehepaar, auch im bei Wolfgang recht weit fortgeschrittenen Alter. 

Das ist erfreulich gut gelungen. Ich war 2016 schon gut gebucht. Dieses Jahr ist in richtig schön trockenen Tüchern. Ich bin freudig überrascht. Sehr dankbar bin ich auch.

Schuf die Kombination aus Fasten-Wandern und strategischer Unternehmensplanung diese erfreuliche Auftragslage? Natürlich nicht. Was die Woche Nachdenkens geschenkt hat, ist ein robuster Kompass. Den brauchte ich, mehr als einmal. 

Ein Jahr mit sehr guter Auftragslage bedeutete naturgemäß auch Momente der Überforderung. Nicht in jeder Sekunde waren alle Menschen rundum glücklich mit meinem Tun. Es gab anspruchsvolle, gelegentlich sogar explosive Situationen, bei denen ich verantwortlich war und / oder mich verantwortlich fühlte. 

Ganz zu schweigen von dem grundsätzlichen Druck, den alle Selbständigen kennen:
Es war und ist mein Wunsch, weniger reisen zu müssen und regional Fuß zu fassen. Aber neue Märkte zu erschließen, war noch nie leicht. Es war und ist mein Wunsch, mein kleines Unternehmen noch fünfzehn, zwanzig Jahre weiter zu führen. Aber es geht ja nicht jeder Wunsch zwangsläufig in Erfüllung.

Einen Plan B hatte ich nie: Ich liebe meinen Beruf und meine unternehmerische Freiheit. Hätten die Regionalisierung und das Downshifting nicht geklappt, wir hätten über die Runden kommen können. Aber persönlich hätte mich der Verlust herb getroffen. Mir hätte mehr gefehlt, als Ehrenamt, interessante Gespräche und gute Lektüre ersetzen können, so sehr all das mein Leben immer schon bereichert.

Es ist also beglückend, dass ich arbeiten darf. Meistens. Der EKS-Kompass spielt dabei eine wertvolle Rolle:
Ich höre meinen Ängsten zu und befrage sie. Das rate ich auch meinen Kunden und Klienten.

Wäre Angst aber mein alleiniger Ratgeber, sie würde mich auffressen. Hätte die Angst zu scheitern mein Verhalten in der Regionalisierungs- und Downshifting-Phase beherrscht, die Regionalisierung wäre nichts geworden.

Der Kompass hilft, dass ich mich wieder einnorde, wenn ich die Orientierung zu verlieren drohe. Das passiert. Es gibt gelegentlich Menschen, über die ich mich ärgere. Situationen, die ich nicht zum Guten verändern kann.
Übermüdung, wenn Ferien nicht in Aussicht sind. Trotz Regionalisieren und Downshiften. 

Oder vielleicht genau deshalb: In Jahr 1 ist nun einmal fast alles neu. Fast jeder Kontakt ein neuer. Fast jedes Seminar eine neue Zielgruppe. Fast jedes Coaching ein neues Unternehmen. Es gibt wenig Routine, da ist hohe Aufmerksamkeit gefordert und hoher Lernaufwand und hoher Arbeitsaufwand. Downshiftig dürfte, wenn weiter alles gut geht, ab Jahr 3 spürbar in Entschleunigung münden. Da bin ich noch nicht. Also bin ich gelegentlich erschöpft und zwar so richtig.Dann spinnt der Kompass und ich muss mich frisch einnorden. Normalerweise gehe ich dafür so schnell wie möglich runter zum Strand. 

Als meine 5jährige Nichte kürzlich zu Besuch war und schlechte Laune hatte, erklärte ich ihr diese Strategie: „Bei uns ist niemand länger als 5 Minuten maulig.“ Sie guckte mich mit großen Augen an. „Nach 5 Minuten kennen wir entweder den Grund für unsere schlechte Laune und können dann etwas tun. Oder wir gehen runter zum Strand und gucken aufs Wasser.“ – „Und dann?“, fragte sie. „Dann guckst Du einfach 5 Minuten auf das Glitzern und hörst auf das Gluckern und spürst den Sand, der kitzelt. Danach hast Du keine schlechte Laune mehr.“ Am nächsten Tag probierte sie es aus. Sie hat eine etwas schwierige Phase. Fünf Jahre alt zu sein, ist auch nicht leicht. Sie blieb lange am Wasser stehen. Dann rannte sie zu ihrer Mutter: „Tante Claudia hat recht“.

Letzt aber war das Wetter so gruselig, dass selbst ich nicht rausgehen mochte. Das kommt sehr selten vor.
Es regnete nicht. Es schüttete und zwar seit Stunden und kein Ende in Sicht.  Ich musste eh in den Großmarkt am anderen Ende der Stadt. Der ist samstags überfüllt. Egal. Wie gesagt: Ich musste raus und es schüttete.

„Frau Linker!“, hörte ich jemanden rufen. Zögerlich drehte ich mich um, mir war nicht so nach reden. Es war eine Coaching-Klientin. Sie strahlte. Und dann kam der Satz, der den Kompass endgültig wieder ausrichtete:
„Dieses Lachen habe ich vermisst.“ Merke: Wenn jemand sich über Dein Lachen freut, ist das mindestens so gut wie 5 Minuten aufs Wasser zu gucken.

28
Feb 17

SCHWUNG #3: DER SINN DES LEBENS

von Claudia Linker (Monnet)

WANDELN!
Gestern war ich ganz fest entschlossen, zu schreiben. Diesen Blog-Eintrag. Morgen ist Aschermittwoch und damit beginnt offiziell die christliche Fastenzeit. Fasten ist eine Einladung, sich frei zu machen von etwas, um frei zu werden für etwas. Change Management mit Tradition, sozusagen. W a n d e l n heißt der Fasten-Begleiter von Andere Zeiten e.V. und deutet eine doppelte Bewegung an: von Körper und Geist. Nach innen und außen. 

PLÄNE, HINDERNISSE UND NEUE PLÄNE
Ich war gestern also ganz fest entschlossen, zu schreiben. Früh war ich im Büro und – – – der Strom war weg!
Ich musste die Bücherregale leer räumen, um an die Steckdosen zu kommen. Das würde dauern. Dann würde ich es nicht schaffen, zu schreiben. Vielleicht würde ich es nicht bis Aschermittwoch schaffen. Dann wäre der Aufhänger futsch. Wie doof.

Andererseits: Wie lange wollte ich die Bibliothek schon entrümpeln, gründlich putzen, neu sortieren? Vielleicht ließe sich beides schaffen: Den einen Tag die Bibliothek in Ordnung bringen. Den nächsten Tag den Blogeintrag schreiben. Die Entscheidung war gefallen. Abends hatte ich Muskelkater.

JEDER HAT SEIN STRUDELWÜRMCHEN
Das Strudelwürmchen ist eine geniale Illustration von Maja Storch: Es steht für unser “Bauchgefühl“, für die Gehirn-Regionen, die uns über Gefühle, nicht über Sprache steuern. Das Strudelwürmchen hat Lust oder nicht. Wenn es keine Lust hat und wir es zwingen, wird sich das rächen. Immer. Wolfgangs Strudelwürmchen verführt ihn, Dinge sein zu lassen. Mein Strudelwürmchen verführt mich, möglichst viel zu erledigen. Mein Strudelwürmchen hält mich nicht vom Arbeiten ab. Es zwingt mich dazu. Ich bin eher von der Fraktion Stachanow. Sagt Wolfgang. 

Stachanow war ein Vorzeigearbeiter des stalinistischen Arbeitsethos der Sowjetunion. Jean-Jacques Goldmann singt von ihm in “Doux“ (... lässt sich beim Lesen dieses Eintrags gut hören und findet sich bei jedem Streamingdienst; Schlagwörter: Doux Jean-Jecques Goldmann) als das Gegenteil des Wünschenswerten: Lieben ist nichts Schweißtreibendes, als wäre man ein Stachanov der Glückseligkeit, sondern etwas Sanftes. (“Je vous aimerai pas dans la sueur - Genre Stakhanoviste du bonheur“). Recht hat er. Mein Mann hat mir also schon nettere Komplimente gemacht. – Ich will kein Stachanow sein, sondern sanft, heiter, freundlich, entspannt, geduldig, gelassen; meistens.
Aber was ist der Satz, den ich noch heute, im Alter von 50 Jahren (!), regelmäßig von meiner Mutter zu hören bekomme:

ÜBERFORDERE DICH NICHT!
Vor knapp einem Vierteljahrhundert fingen Wolfgang und ich an, uns ernsthaft mit Lern-Wirksamkeit zu befassen. Gute zwei Jahre verzichteten wir auf Umsatz. Stattdessen gaben wir viel Geld aus für Reisen und Forschung. Das war nicht wirklich so lang geplant. Es ergab sich und es war wunderbar: Unser heutiges Tun, unsere Publikationen, die Qualität unserer Beratung, nichts davon wäre möglich ohne den Grundstock dieser Jahre. Wir wurden Experten für Aktivierendes Lernen und Mikro-Muster der Kommunikation. Eine Überforderung liegt nie im Erwerb oder fortwährenden Ausbau von Expertise. Im Gegenteil: Lernen ist ein Lebenselixir.

DIE ÜBERFORDERUNG LAG IN DER ANGST.
Nach den zwei Jahren begann eine lange, lange Durststrecke: Es waren erst einmal viel zu wenige Menschen, die sofort Nutzen in unserem Tun erkannten und bereit waren, Geld dafür auszugeben. Durststrecken kannte ich gut, von Kindesbeinen an: Mein Vater war immer krank und dann sehr früh tot. Er überlebte seine späte Entziehungskur um sechs Wochen. Magere sechs Wochen. Ich war gerade 15 geworden. Wenige Monate später ging ich für ein Auslandsjahr nach Frankreich. Als Altsprachlerin sprach ich fast kein französisch. Brieffreundschaften hatten in der Vorbereitung geholfen, vielleicht aber auch dazu verführt, mich zu überschätzen. Denn einer meiner Brieffreunde fragte mich gleich am ersten Tag: "Was ist für Dich der Sinn des Lebens?" Mühsam gelang mir eine Antwort:

ICH MÖCHTE JEDEN TAG STERBEN KÖNNEN UND SAGEN: ES WAR GUT.
Das klang sicher ziemlich klug und gelassen. Der Eindruck täuschte! Eigentlich sagte ich nämlich: Vielleicht sterbe ich schon heute. DESHALB muss ich jeden Tag alles geben. DESHALB habe ich keine Sekunde zu verschenken. 

Das war keine Anleitung dazu sanft zu sein, heiter, freundlich, entspannt, geduldig, gelassen. Das war eine selbstausbeuterische, stachanowistische Anleitung. Das war eine angstgeprägte Haltung. Das war geeignet, Schnapp-Atmung auszulösen. So will ich nicht sein. – So bin ich nicht mehr (so oft). Unsere Arbeit, das was wir tun, unsere Lebensentscheidungen wandeln unser Arbeiten UND uns selbst. (Das gilt natürlich für jede und jeden.)

“Accelerated Learning“ steht für gelingendes, gutes und tiefes Lernen. Grundvoraussetzungen sind
entspannte Aufmerksamkeit, Freude, Nächsten- und Selbstliebe, VERTRAUEN!

Deshalb lehne ich den Begriff  “Accelerated“ in Verbindung mit “Learning“ ab. Es geht nicht ums Beschleunigen. Es geht um das Aktivieren dessen, was in uns steckt (meinetwegen: der intrinsischen Motivation). Ich sage “Aktivierendes Lernen“.

Ja, vielleicht sterbe ich schon heute. DESHALB will ich dankbar jeden Tag auskosten, mit seinen kleinen oder größeren Wermutstropfen. DESHALB habe ich gestern die Bibliothek geordnet. (Aber es ist noch viel zu tun.) DESHALB habe ich jetzt den Blogeintrag geschrieben. (Aber vielleicht schaffe ich die Übersetzungen ins Englischen und Französische nicht pünktlich.) Wenn ich heute sterbe, werde ich sein für das Leben, das mir geschenkt war. (Aber ein späterer Zeitpunkt wäre mir lieber.) Wenn ich heute nicht sterbe, werde ich dankbar sein für das Leben, das mir geschenkt ist. Als Christin bete ich abends außerdem, Gott möge mir friedlichen Schlaf schenken und Freude, wenn ich am nächsten Morgen aufwache. Diese Bitten sind auch denen vertraut, die regelmäßig meditieren: Dank, ruhiger Frieden, Freude, Gelassenheit, Tatkraft strömen in uns ein. Einfach durch das tiefe Atmen – ohne jede Überforderung und egal, was kommt.

30
Okt 16
Kahneman Schnelles Denken Langsames Denken

SCHWUNG #2: ABSTAND SCHAFFEN

von Prof. Dr. Wolfgang Linker

OHNE ABSTAND KEINE VISIONEN. OHNE VISIONEN KEINE STRATEGIEN.
Hören Sie jetzt im Geiste Helmut Schmidts Bonmot: "Menschen mit Visionen sollten zum Arzt gehen!"? Hier irrte unser hoch verehrter Bundeskanzler a. D.. Visionen sind bestenfalls eben keine wahnhaften Vorstellungen, sondern wichtige Leitbilder. Oder irrte er doch nicht? Es stimmt ja: Auch Selbständige, Unternehmer und Manager brauchen oft einen "Arzt", um das krankhafte Gedankengewebe unrealistischer Illusionen herauszuschneiden und das gesunde Gedankengewebe realistischer Wunschvorstellungen aufzupäppeln.   

Illusionen und Visionen unterscheiden sich 3fach: inhaltlich, motivatorisch, strategisch.

#1 INHALT:
Strebte ich an, einmal zum Kreis der Nobelpreisträger gehören, wäre das irreale Träumerei. Mit 75 Jahren ist meine  Garantie bereits abgelaufen: z.B. die Kraft-Garantie für langjährige Forschungen.
Gesunde Visionen antworten also auf die Frage: Welches Ziel ist konkret erreichbar? 

#2 MOTIVATION:
Ich kann einiges dafür tun, im Alter fit zu bleiben. Mit Betonung auf "tun". Es braucht den Willen zur Tat, d.h. es braucht Motivation. Das ist der zweite Unterschied zwischen Illusion und Vision.  
Gesunde Visionen antworten also auch auf die Frage: Warum ist es reizvoll, ein konkretes Ziel zu erreichen? 

#3 STRATEGIE:
Der dritte Unterschied liegt im Erfolg versprechenden Plan.
Gesunde Visionen antworten also weiter auf die Frage: Wie genau lässt sich das reizvolle Ziel erreichen?

Gesagt, getan? Nein! Seit Jahren weiß ich rational, dass ich viel dafür tun könnte, auch nach der "Garantiezeit" fit zu bleiben. Ebenso weiß ich rational: Es wäre mir möglich, mein zweites Buch zum Thema Kommunikation zu vollenden, dass seit nahezu zwei Jahren zu zwei Dritteln fertig in der Schublade liegt. Inhaltlich, motivatorisch und strategisch sollte alles klar sein. Eigentlich. Es braucht aber noch etwas Elementares. Ein viertes. Fasten und Wandern ebnen den Weg dahin: Es braucht Abstand zu Visionen. 

Wir werden mit Abstand und nur mit Abstand erkennen: Wir neigen zur Selbstüberschätzung. Alle. Immer. Und immer wieder. Selbst Alter und Weisheit schützen nicht davor. Das hat der Psychologe Daniel Kahneman so gründlich bewiesen, dass er u.a. hierfür 2002 den Wirtschafts-Nobelpreis erhielt. (Sein Buch “Schnelles Denken, langsames Denken” ist sehr empfehlenswert, aber auch sehr dick. Wer keine 600 Seiten lesen mag: Teil III trägt den Titel ... ja ... richtig: Selbstüberschätzung. Und umfasst nur ca. 80 Seiten).

Selbstüberschätzung klingt unsympathisch. Sie ist schlimmer: Sie  verhindert, dass wir neue Gesichtspunkte akzeptieren – insbesondere, wenn sie gegen uns gerichtet scheinen oder pessimistisch sind. Liebe macht blind. Gier frisst Hirn. Richtig? Richtig!, sagt Kahneman etwas wissenschaftlicher: Gegen die Innensicht hat die Außensicht keine Chance. Visionen unterscheiden sich also von Illusionen auch durch ...

#4 ABSTAND:
Gesunde Visionen antworten auf die Frage:  
Wie verschaffe ich mir einen not-wendigen Abstand für möglichst objektives strategisches Denken?

Damit sind wir wieder beim Fasten und Wandern und bei meinen zwei persönlichen strategischen Zielen:
fit bleiben.
Buch schreiben.
Wir verließen unser Büro und damit unsere weitestgehend sitzende und stille Arbeit.
Wir fuhren nach Sylt.
Wir sprachen bei den Wanderungen täglich mit neuen Bekanntschaften über Gott und die Welt.
Wir nutzten die Ruhezeiten für unsere strategische Planung - in einem körperlich und geistig ungewohnten Zustand.
Abstand pur!

Und siehe da:
Tatsächlich bekam ich einen neuen und kreativen Blick.
Ich sah, was ich zuvor übersehen hatte.
Ich stellte mir neue und anderen Fragen.
Ich spürte gleichzeitig und mit Freude: Ich bin auf dem richtigen Weg.
Ich prüfte meine Gedanken, mit meiner Frau als kritischer “Denk-Sprech-Partnerin”.

Außerdem bekam ich neues "Futter":  Die abendlichen Kurz-Vorträge zum Thema Gesundheit boten eine Fülle neuer Informationen, z.B. über Lebensmittel und ihre Bestandteile. Vor allem aber hörte ich erneut, was ich bereits x-mal gelesen, x-mal für richtig befunden und doch ebenfalls x-mal wieder verdrängt hatte. Mit meiner Innensicht: "Jede Art von körperlicher Betätigung ist lästig und überflüssig!" schade ich mir selbst. Hatte bislang nichts genutzt. Keine noch so vernünftige Außensicht hatte bislang bewirkt, dass ich "dran geblieben" wäre. Nun aber hörte ich diese Empfehlung in einer für mich vollkommen neuen Situation: nach körperlich anstrengenden, aber befriedigenden Ausflügen und anschließend fruchtbarer Denk-Arbeit. Das überwand meinen inneren Schweinehund.

Inzwischen bin ich stolzer Besitzer eines edlen "Hacken-Porsches" und erledige unsere Einkäufe zu Fuß. Das ist eine halbe Stunde Fitness, die ich schaffe und durchhalte. Außerdem sitze ich wieder regelmäßig an meinem neuen Buch. An einem neu dafür eingerichteten ruhigen Arbeitsplatz, der mir die für mich notwendige innere Abgeschiedenheit erleichtert. 

Helmut Schmidt hatte also doch recht: Ich hatte "ärztliche Hilfe" gebraucht: Kahneman, die Vortragenden, die zufälligen Gesprächspartner, meine Frau.

02
Aug 16

SCHWUNG #1: FASTEN – WANDERN

von Claudia Linker (Monnet)

Wir aßen mal eine Zeitlang nichts. Dafür liefen wir bei Wind und Wetter, 12 bis 15 Kilometer täglich. Und nutzten das für unsere strategische Jahres-Planung. Und ja: Wir halten das für einen wertvollen Tipp, den sich auch Sie sich zueigen machen können. Beides: Strategische Jahres-Planungen durchführen und an Fasten-(Wander-)Seminaren teilnehmen. Wir kamen nach einer Woche auf Sylt jedenfalls mit einem Rucksack sehr konkreter Pläne zurück und bislang scheinen sie zu keimen. Auch und besonders beruflich relevante. 

Es gibt zwar noch keinen Fasten-Wander-Seminar-Anbieter, der sein Angebot mit strategischer Unternehmensentwicklung koppeln würde. Aber vielleicht nutzen Sie die Gedanken aus dieser Artikel-Reihe, um sich Ihren eigenen strategischen Plan zu basteln, mit oder ohne Fasten (und / oder Wandern). Oder Sie treten in Kontakt mit uns.  Das würde uns sehr freuen.

"Was wollen wir wie und warum (weiterhin / neu / überhaupt) konkret tun?", diese Frage will nämlich unbedingt gestellt und beantwortet werden. Im Jahr 2015 bei uns ganz besonders dringend, unter anderem, weil Wolfgang stramm auf seinen 75. Geburtstag zuging. Langsam setzte bei ihm also altersbedingt der Wunsch nach etwas mehr Gemütlichkeit ein. Unter anderem aber auch deshalb, weil Claudia ebenso stramm auf ihren 50. Geburtstag zuging. "Probier's mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit" war und ist für sie, ebenfalls altersbedingt, nur phasenweise ein guter Tipp. 

Diese unterschiedlichen Lebensphasen mussten wir also irgendwie gedeihlich ins Lot bringen - und die Firma dahingehend ausrichten. Und das taten wir. Es brauchte einige Monate lang wöchentlich 3-6 Stunden Nachdenken, Schreiben, Besprechen, Entscheiden, Verwerfen, Fokussieren. Dann hatten wir einen hübschen strategischen Plan, der bislang mit Tatkraft, Glück und Fügung auch verblüffend gut aufgegangen ist.

Jetzt im Sommer 2016 also war Zeit eine Zwischenbilanz: Was hatten wir wie genau umsetzen können? Was nicht? Warum? Welche Konsequenzen zogen wir aus Erfolgen und Scheitern für das weitere Vorgehen?

Allerdings war der Kalender voll, was grundsätzlich erfreulich ist, aber die Gefahr mit sich bringt, Dringendes dem Wichtigen unterzuordnen - und eben damit strategische Arbeit zu verunmöglichen. So entschieden wir uns für eine konzentrierte Woche - die ließ sich mit Mühe blocken. 

Zusätzlich entschieden wir uns, zeitgleich einmal wieder zu fasten. Zeitgleich, weil wir schon wussten, dass echtes Fasten sowieso eine Zeit des intensiven Nachdenkens, Prüfens und Neuordnens ist. Und ja, Fasten bedeutet wirklich: nichts essen. Zumindest nichts Festes. Es sei denn, man zählt die Petersilie auf der dünnen Abendbrühe zu den festen Nahrungsmitteln. Neu für uns war die Verbindung mit Wandern, also: Bewegung, richtig viel sogar. So vier, fünf Stunden am Tag. Bei Wind und Wetter. Davon gibt es auf Sylt auch im Juli reichlich, zumindest im Juli 2016. Bislang hatten wir im Kloster gefastet. Da stand zwar auch Bewegung auf dem Programm, aber deutlich moderater. Besonders Claudia kann sich außerdem in klösterlicher Atmosphäre völlig in ihre Gedanken versenken. Das, so befürchtete sie, könnte dieses Mal durch allzu viel Bewegung auf der Strecke bleiben. Das Gegenteil war der Fall. 

Strategische Planung bringt uns in Verbindung mit dem, was wir wirklich wollen - und was nicht. Strategische Planung stellt Gewohnheiten auf Pause und hinterfragt sie. Strategische Planung macht frei von falschen Zwängen und für echte Anliegen. Ersetze "strategische Planung" durch "Fasten" alternativ durch "Wandern" oder gar durch "Fasten" und "Wandern".